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Merkhilfen helfen helfen

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Bei der technischen Hilfeleistung nach Verkehrsunfällen zählt oft jede Sekunde. Abkürzungen wie SEBTEFÜ oder VEBUGIM können hier als Gedankenstütze einen wertvollen Beitrag zur effizienten Einsatzdurchführung leisten.


Erschienen in: FEUERWEHR Ausgabe 5/2019

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Nach einem Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person muss der Patient im Sinne eines guten Traumamanagements so schnell wie möglich in die Klinik verbracht werden. Dabei soll der Zeitraum vom Unfall bis zum Erreichen des Krankenhauses so kurz wie möglich sein, da schwer abschätzbar ist, wann ein nicht kritischer (nicht vital bedrohter) Patient kritisch (vital bedroht) werden kann.

Diesem Gebot nach einer effizienten, schnellen Rettung stehen sich rasch verändernde Bedingungen im Automobilbau gegenüber: Die Fahrzeuge werden stabiler, und die  Überlebenswahrscheinlichkeit vergrößert sich. Es gibt neue Strukturen, neue Materialien und alternative Antriebe, auf die sich die Feuerwehr einstellen sollte. Die Zeit der technischen Rettung kann sich dadurch verlängern, wenn sie ohne den richtigen Plan erfolgt. Bei all den Einflussparametern auf den Rettungsplan helfen eine reich gefüllte Werkzeugkiste mit Möglichkeiten und eine klare Struktur.

Der Faktor Zeit beim Verkehrsunfall

Jeder Feuerwehr stellt sich an der Einsatzstelle die Frage, wie die zur Verfügung stehende Zeit so effektiv wie möglich genutzt werden kann. Dabei sind maximal zehn Minuten für eine Sofortrettung bzw. 20 Minuten für eine schnelle Rettung angesetzt. Gerade dieser Zeitdruck kann auch Fehler zur Folge haben. Für die Vorausplanung und korrekte Durchführung von Einsätzen sind Strategien aus dem Teamressourcenmanagement (TRM) bekannt, etwa die Prämisse, Arbeitsbelastung zu verteilen.

Das Feuerwehrwesen und das Traumamanagement kennen zudem zahlreiche Abkürzungen (AAAACEEEE, GAMS, CABCDE, …) als Gedankenstützen, um eine Struktur im Einsatz zu etablieren und auch in anspruchsvollen Situationen nichts Wichtiges zu vergessen.

Die Merkhilfe SEBTEFÜ

Die Abkürzung SEBTEFÜ codiert die Taktik bei einem Verkehrsunfall und gibt alle Phasen der technischen Unfallrettung wieder. Sie kann auch auf den technischen Hilfeleistungseinsatz angewendet werden. Das Merkwort ist so speziell, dass man es nicht vergessen kann. So ermöglicht es beispielsweise, Arbeitsaufträge parallel abzuarbeiten und dabei nichts zu vergessen.

SEBTEFÜ bedeutet: Sichern, Erstzugang, Batteriemanagement, Türöffnung (erweiterter Zugang), Entfernung Dach/Maximalzugang, Frontalerweiterung/Entklemmung und Übergabe an den Rettungsdienst.

Die einzelnen Schritte aus SEBTEFÜ sind im Folgenden übersichtlich dargestellt.

Sicherung und Erstzugang – VEBUGIM

Für die Sicherungsaufgaben und den Erstzugang gibt es ein eigenes Merkwort: VEBUGIM. Es bedeutet: Verkehrsabsicherung, Erkundung, Brandschutz, Unterbau des Fahrzeugs, Glasmanagement, Innenverkleidungen und Schnittmarkierungen.

Die Verkehrsabsicherung, die Erkundung, der Brandschutz und der Unterbau des Fahrzeugs können parallel abgearbeitet werden, um wertvolle Zeit einzusparen. Der Unterbau und die Sicherung des Fahrzeugs können dabei lange dauern. Ein Kreuzverbau und die Vorbereitung des Teams durch drillmäßiges Üben im Vorfeld können die Aufbauzeit im Einsatz minimieren.

Nach dem Sichern des Fahrzeugs ist der Erstzugang für den Inneren Retter die wichtigste Aufgabe. Sollte kein Zugang über Fahrzeugtüren möglich sein, spielt dafür das Glasmanagement eine wichtige Rolle. Dabei lautet das Motto: „So viel Glasmanagement wie möglich, so viel wie nötig.“ Sicherheit ist hier das oberste Gebot. Eine offene Tür oder ein heruntergefahrenes Fenster minimieren den Aufwand. Falls alle Scheiben intakt sind und der Patient nicht anders zugänglich ist, wird eine vom Patienten weit entfernte Scheibe entfernt. Dann steigt ein Innerer Retter in das Fahrzeug ein, um festzustellen, ob der Patient kritisch oder nicht kritisch ist.

Parallel zum Glasmanagement und dem Erstzugang werden bereits Innenverkleidungen angehoben (sie müssen nicht unbedingt entfernt werden) und Schnittmarkierungen für einen eventuellen Rettungsplan angebracht.

Batteriemanagement

Die Fahrzeugbatterie wird erst abgeklemmt, wenn die elektrischen Verbraucher (etwa Fensterheber, Rückenlehnenverstellung oder Sitzverstellung) nicht mehr für die Rettung genutzt werden. Das Abklemmen der Batterie unterstützt aber die Deaktivierung von Sicherheitssystemen.

Gelegentlich ist kein Batteriemanagement möglich, etwa, wenn die Batterie nicht auffindbar ist oder wenn sie aufgrund der Deformation oder der Fahrzeuglage nicht erreicht werden kann. In diesem Fall müssen die Rettungskräfte gewarnt werden.

Türöffnung

Die Türöffnung verbessert den Einblick in den Fußraum und auf die Einklemmungssituation. Sie gestattet außerdem häufig die Ganzkörperuntersuchung des Patienten, die für den Inneren Retter nicht einsehbar ist. So ermöglicht sie eine erweiterte Diagnostik und eventuell die sofortige Rettung des Patienten aus dem Fahrzeug.

Gegen die vollständige Entfernung der Tür sprechen gute Gründe: So kostet das vollständige Herausnehmen der Tür erheblich mehr Zeit. Auch sind oftmals Sitzverstellungsmöglichkeiten in der Türinnverkleidung verbaut, die nach dem Ausbau der Tür fehlen würden.

Während der Türöffnung kann parallel getunnelt, also der Zugang über das Fahrzeugheck als Rettungsweg erweitert werden.

Entfernung des Daches/Maximalzugang

Eine Entfernung des Daches als Maximalzugang für eine achsengerechte Rettung ist notwendig, wenn im Fahrzeuginneren Raum benötigt wird. Dies kann durch eine Dachdeformation ausgelöst sein oder notwendig werden, wenn das Tunneln vom Fahrzeugheck aus nicht möglich ist. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass eine Dachentfernung Zeit braucht, und es können auch Widerlager verloren gehen. Die Arbeit kann durch paralleles Arbeiten mit zwei Schneidgeräten, durch das Schneiden mit der Säbelsäge oder durch das Klappen des Daches anstelle des Wegschneidens beschleunigt werden.

Frontalerweiterung/Entklemmung

Die Frontalerweiterung bzw. Entklemmung kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Eine Entklemmung sollte jedoch noch vor einer eventuell zeitaufwendigen Dachentfernung ausgeführt werden.

Die frühe Erkenntnis, dass Entlastungsschnitte (etwa in der A-Säule oder im Schweller) nicht ausreichen, um den Vorderwagen nach vorne zu bewegen, kann ebenfalls Zeit sparen. Oftmals hilft schon das Wegdrücken von Material, Lenkrad oder Armaturenbrett. Falls Mittelstreben vorhanden sind, kann ein Plan B vorbereitet werden. Bei passender Raumordnung bietet sich vielleicht die Oslo-Methode an. Auch eine Hochund-weg-Methode, eine Spreizer- oder Rettungszylindermethode sind Wege zur schnellen Entklemmung. Oft genügt bereits das Wegziehen der Pedalerie oder das Bewegen des Sitzes nach hinten.

Übergabe an den Rettungsdienst

Die Übergabe des Patienten an den Rettungsdienst, also seine Befreiung aus dem Fahrzeug, wird durch die Feuerwehr unterstützt. Hier sparen eine schnelle Koordination sowie klare Anweisungen und eine gute Kommunikation, etwa zur Wahl des Rettungsmittels und des Rettungswegs (z. B. Rettungsbrett, Schaufeltrage, KED-System, Shortboard), erneut Zeit.

Fazit

Wie sich zeigt, stellt ein Verkehrsunfall in der Koordination, der Aufgabenvielfalt, dem Umgang mit der Technik und dem Zeitmanagement eine wahre Herausforderung dar. Lasst uns diese Herausforderung annehmen! Durch das strukturierte, effiziente und parallele Abarbeiten der Aufgaben kann der Patient schnell gerettet werden. Merkhilfen wie SEBTEFÜ helfen beim Helfen.

Axel Topp

 

Foto (Beitragsübersicht): © Axel Topp

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