Notfallversorgung im SGB V: Wird Rettungsdienst Bundessache?
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Die aktuelle Regierung hat sich eine Reform der Notfallversorgung auf die Fahnen (sprich: in den Koalitionsvertrag) geschrieben. Sie will nicht nur eine bessere Versorgungsqualität in Krankenhäusern, sondern auch im ambulanten Rettungsdienst. Doch eine entscheidende Rahmenbedingung stört: Der Rettungsdienst ist bisher Ländersache. Nun soll er in das SGB V integriert werden. Das sind die Hintergründe.
Momentan befasst sich die Regierung mit der Frage, ob die Notfallversorgung als eigenständiger Leistungsbereich in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) integriert werden soll. Dazu legten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags im April 2024 ein Gutachten vor, das die Möglichkeiten und die Reichweite der (insbesondere gesetzgeberischen) Konsequenzen einer solchen Einbindung beleuchtet. Das sind die Hintergründe.
Rettungsdienst ist nicht gleich Rettungsdienst
Wer in Brandenburg den Rettungsdienst benötigt, erreicht ihn auf dieselbe Weise wie in Sachsen-Anhalt, Hamburg oder Baden-Württemberg. Aber bekommt er oder sie auch dieselbe Hilfe? Für Patientinnen und Patienten dürfte es nicht zu bemerken sein, aber: Deutschland hat nicht den einen Rettungsdienst, sondern unserem föderalistischen Staatsprinzip folgend sind die Länder jeweils selbst dafür zuständig. Es gibt sozusagen 16 Insellösungen. Das führt zwangsweise zu Unterschieden, etwa in der Finanzierung, in der Ausstattung und Organisation. Auch Vorgaben wie die einzuhaltenden Hilfsfristen unterscheiden sich.
Immer wieder werden deshalb Stimmen laut, die eine bundesweite Vereinheitlichung der Notfallversorgung fordern. Doch der Bund kann nicht ohne weiteres Gesetze erlassen, die die Gesetzgebungskompetenzen der einzelnen Länder übergehen (siehe Infokasten: „Warum ist der Rettungsdienst eigentlich Ländersache?“)
Warum ist der Rettungsdienst eigentlich Ländersache? |
Das hängt an den rechtlichen Grundlagen, allen voran an dem föderalistischen System der BRD. Denn laut der Grundgesetz-Artikel 30 und 70 (Abs. 1) obliegt eine Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich den einzelnen Ländern – es sei denn, das Grundgesetz selbst verleiht dem Bund explizite Gesetzgebungsbefugnisse.
Das ist aber beim Rettungsdienst in der aktuellen rechtlichen Ausgestaltung nicht der Fall: Denn er ist eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr — und damit sind die Landesgesetzgeber zuständig (Grundlage: Art. 30, Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz). Aus diesem Grund gibt es kein einheitliches „Bundesrettungsdienstgesetz“, obgleich dies bereits mehrfach gefordert war. |
Welche Rolle spielt das SGB V?
Im aktuellen Koalitionsvertrag sind einige tiefgehende neue Regelungen für die ambulante wie die stationäre Notfallversorgung vorgesehen. Unter anderem findet sich dort der Vermerk „Wir nehmen das Rettungswesen als integrierten Leistungsbereich in das SGB V auf […]“ (S. 66). Dazu legten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags am 10. April 2024 ein Gutachten „Zur Reichweite der Gesetzgebungskompetenz des Bundes bei einer Verankerung der Notfallversorgung im SGB V“ vor, also in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs (Gesetzliche Krankenversicherung). Die Regierung ist aktuell (Stand: 19. August 2024) noch mit dem Thema betraut.
Inwiefern ist das wichtig? Die Überlegung, die Notfallversorgung in das SGB V zu integrieren, ist notwendig, um die angedachte Reform der Notfallversorgung möglich zu machen. Dann wäre der Rettungsdienst Bundessache, damit nicht weiterhin Insellösungen der einzelnen Bundesländer bestehen. Deshalb hat der Bundesrat schon früher entsprechende Gesetzesentwürfe zur Änderung des SGB V vorgelegt (siehe Infokasten „zur Vorgeschichte“).
Zur Vorgeschichte |
Vor dem aktuellen Bestreben, die Notfallversorgung in das SGB V aufzunehmen, gab es bereits frühere Versuche in diese Richtung, unter anderem seitens:
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Welche Themen geht die Reform der Notfallversorgung an?
Die gewollte Einbindung der Notfallversorgung als eigener Leistungsbereich in das SGB V ist also eine logische Konsequenz bzw. Voraussetzung für die insgesamt viel weiter gehende Reform der Notfallversorgung. Diese soll unter anderem folgende Themen betreffen:
- Schaffung von sogenannten Integrierten Notfallzentren, die Notaufnahmen und Praxen des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes kombinieren
- Einheitliche Organisation und Finanzierung des Rettungsdienstes
- Erweitertes Aufgabenspektrum des Rettungsdienstes weg vom reinen Transport hin zur Versorgung vor Ort
In einer der nächsten Ausgaben von FEUERWEHR werden wir das Thema in einem Beitrag von Urs Weber detailliert betrachten und insbesondere das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 10. April 2024 kommentieren.
Sarah Altendorfer
Es stand in FEUERWEHR |
Wir berichteten in letzter Zeit bereits häufiger über Reform-Themen der Notfallversorgung, unter anderem:
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