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Bessere medizinische Erstversorgung bei Katastrophen

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Frauenhofer FIT entwickelt eTriage

Farbige Armbänder sollen bei Katastrophen und Unfällen mit einem Massenanfall von Verletzten und Erkrankten (MANV) einmal die Karten aus Papier zur Kennzeichnung von Verletzten ersetzen. Foto: FIT

Bei Großunfällen dauert es oft viel zu lang, bis die zahlreichen Opfer richtig versorgt werden. Ein neues vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) in Sankt Augustin entwickeltes elektronisches Triage-System (eTriage-System) soll die Helfer bei der Sichtung der Verletzten unterstützen und die Versorgung der Patienten beschleunigen.

Mit dem eTriage-System entwickeln die Forscher ein System, das die bisher verwendeten Karten aus Papier ersetzen soll. Die Helfer legen den Geschädigten bei der ersten Sichtung farbige Armbänder an, deren Kodierungen u. a. die Schwere des Verletzungsgrads signalisieren und Sensoren überwachen die Vitalfunktionen des Patienten. Die Armbänder übermitteln außerdem den Standort der Verletzten und deren Vitaldaten wie Puls, Atemfrequenz und Blutsauerstoff in Echtzeit an die Einsatzleitstellen.

Wenn Minuten zählen
Bei Naturkatastrophen, Terroranschlägen, Unfällen in Chemieanlagen oder Zugunglücken zählt jede Sekunde. Je zügiger die Erstsichtung der Betroffenen erfolgt, bei der sie nach der Schwere ihrer Verletzungen gekennzeichnet werden, desto schneller können sie in umliegende Krankenhäuser gebracht werden. Und von der Koordination der Rettungsdienste hängen viele Menschenleben ab. Je besser die Einsatzkräfte miteinander kommunizieren, desto mehr Opfer können gerettet werden.

Derzeit erfolgt die Erstsichtung, in der Fachsprache Triage genannt, in den meisten Fällen mit Hilfe von farbigen Karten aus Papier, die die Ersthelfer den Verletzten anhängen. Die Farbkodierungen (grün, gelb, rot, schwarz) kennzeichnen die Schwere der Verletzung und die Behandlungspriorität. Puls oder Atemfrequenz werden auf den Karten von Hand vermerkt. Die erhobenen Daten zeigen zwar, wie es dem Opfer ging, als die Retter es vorfanden. Aktualisiert werden können diese Angaben jedoch manuell nicht. Hinzu kommt, dass die Karten bei ungünstigen Witterungsbedingungen leicht beschädigt werden können.

Notfallmanagement mit GPS und RFID
Die eTriage besteht aus mehreren Komponenten: Anstelle der Papierkarten versehen Ersthelfer die Verletzten mit farbkodierten Armbändern aus leichtem, biegsamen Plastik. Diese Triage-Armbänder, Herzstück des Systems, umfassen einen GPS-Sensor, einen RFID-Chip (Radio-Frequency IDentification – Identifizierung per Funk) sowie ein Netzwerkteil für die Kommunikation mit dem Datennetz.

Unversehrte Personen erhalten lediglich das Armband mit dem GPS-Sensor, instabile Opfer und Schwerverletzte werden zudem mit am Körper angebrachten Sensoren ausgestattet, die die Vitaldaten an die Leitstelle senden. Das Armband dient als Schnittstelle und Netzwerkknoten. Die Daten können über ein weitreichendes und sparsames Funknetz (ZigBee-Netz), per WLAN oder über das Mobilfunknetz übertragen werden.

Bei Katastrophen ist es oft die Kommunikation, die zuerst zusammenbricht. Wenn die anderen Netze nicht mehr funktionieren, dann kann vor Ort einfach ein voll funktionierendes ZigBee-Netz (Funkrauchmelder kommunizieren u. a. so miteinander) aufgebaut werden. Die Infrastruktur dafür ist schon in den Armbändern enthalten. Sie funktioniert automatisch. Am Gürtel der Ersthelfer angebrachte Triage-Relays dienen zudem als Zwischenspeicher, Daten-backup und -sender, sollte das ZigBee-Netz doch einmal ausfallen.

Die vom Triage-Armband übertragenen Daten werden auf einem Tablet PC oder Smartphone visualisiert. Eine Kartenansicht und eine Augmented-Reality-Ansicht verschaffen Ersthelfern und Einsatzleitern einen schnellen Überblick über die Lage vor Ort. Per Klick auf Icons, die farblich mit denen der Armbänder korrespondieren, erhalten sie alle Angaben über die Position der Opfer, den Gesundheitszustand, Verletzungsgrad und die Vitalsignale. Die Retter erkennen sofort, wo sich die meisten Schwerverletzten befinden. Sie können umgehend entscheiden, in welche Krankenhäuser die Opfer gebracht werden müssen, ob eine Versorgung vor Ort ausreicht oder ob Hubschrauber angefordert werden müssen.

Mit dem eTriage-System ist ein mit einem roten Armband kategorisierter schwerverletzter Patient spätestens nach 30 s gemeldet und kann sofort abtransportiert werden. Bei der herkömmlichen Papier-Methode kann es bis zum Abtransport oftmals bis zu 30 min dauern, zeigen die Erfahrungen.

Erfolgreiche praktische Erprobung
Die Zuverlässigkeit des Systems konnten die die FIT-Forscher live bei einer fünfstündigen Großkatastrophen-Übung unter Beweis stellen – einem simulierten Terroranschlag auf ein Fährterminal im Oktober letzten Jahres im norwegischen Stavanger.

Bei dem Großeinsatz mit 350 Opfern, 50 Ersthelfern, 30 Krankenwagen, mehreren Hubschraubern und einer mobilen Leitstelle funktionierte das Zusammenspiel der Triage-Komponenten einwandfrei.

Nächstes Etappenziel: In einem zweimonatigen Langzeittest bei einer Hilfsorganisation wollen die Forscher demonstrieren, wie sich mit eTriage die Patientenversorgung beschleunigen, Logistikprozesse verbessern und Rettungsabläufe optimieren lassen.

EU-Projekt BRIDGE
Die Entwicklung des eTriage-Systems erfolgte im Rahmen des EU-Projekts BRIDGE, mit dem eine bessere medizinische Erstversorgung, ein optimiertes Notfallmanagement und ein effektiveres Vorgehen der Rettungskräfte bei Großunfällen vorangetrieben werden soll. Die EU unterstützt das Projekt mit 13 Mio. €.

Verantwortlich für die technische Gesamtkoordination des Projekts ist das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin.

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