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Aufstellen einer Brandwache

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Nach dem Löschen kein Ende des Einsatzes

Nachdem eine Freiwillige Feuerwehr am Vorabend den Brand einer Scheune löschte, kam es am nächsten Tag zu einem weiteren Brand, der ein Wohngebäude auf dem Hof zerstörte. Nach den Ermittlungen zur Ursache führte ein „verkapseltes“ Glutnest erneut zu einem Brand. Obwohl das Oberlandesgericht (OLG) Hamm nach der Klage eines Ehepaars kein Verschulden der Feuerwehr sah (siehe Rubrik Feuerwehr Recht), wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Einsatzleiter später nur gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.000 Euro eingestellt.

Fehler der Feuerwehren bei Einsätzen sind nicht erst seit dem Erscheinen des Buches „Falsche Taktik – Große Schäden“ von Markus Pulm ein zunehmend heikles Thema. In den letzten Jahren hat die Kritik nach Einsätzen der Feuerwehr eine neue Qualität erreicht. Immer wieder wird von Geschädigten nach einem Löscheinsatz auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Kommunen, als Träger der Feuerwehren, geklagt.

Anfang 2012 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm über die Klage eines Schäfer-Ehepaars aus Alstedde gegen die Stadt Lünen (Westfalen) zu entscheiden. In den Abendstunden des 16. Januar 2006 löschte die Freiwillige Feuerwehr einen ersten Brand auf dem Hof Middendorf. Das Feuer war Stunden später wieder aufgeflammt. Am frühen Morgen des folgenden Tages kam es zu einem zweiten Brand. Die Ermittlungen zur Ursache dieses zweiten Brandes ergaben, dass ein „verkapseltes“ Glutnest erneut zu einem Brand führte. Das Wohngebäude brannte hierbei vollständig aus. Die Ermittlungen ergaben weiter, dass der auch hauptamtlich als Feuerwehrmann tätige Einsatzleiter nach den erfolgreichen Löscharbeiten beim ersten Brand keine Brandwache aufgestellt hatte.

Nach einer nur kurzen Brandschau hatte der Einsatzleiter auch von einer weiteren Untersuchung der Brandstelle aufgrund der Dunkelheit und der Ausgasungen abgesehen. Die Kläger sahen darin eine Amtspflichtverletzung der Feuerwehr und klagten auf Feststellung der Ersatzpflicht der Stadt Lünen. Der 11. Zivilsenat wies diese Klage jedoch ab. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Damit ist die Entscheidung endgültig (Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Hamm vom 08.02.2012 Az.: I-11 U 150/10).
Weil kein Verschulden der Feuerwehr festgestellt wurde, zahlt selbstverständlich auch die GVV-Kommunalversicherung der Stadt den Schaden nicht. Über dieses Urteil wurde in Feuerwehrkreisen viel berichtet und diskutiert.

Die bittere Kehrseite der Medaille
Nicht berichtet wurde über die strafrechtlichen Folgen für den damaligen Einsatzleiter der Feuerwehr. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund wurde zwar wegen geringe der Schuld gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.000,- € gemäß § 153 a StPO im Februar 2007 eingestellt (Az.: 190 Js 42/06). Die Einstellung geschah jedoch aus prozessökonomischen Gründen. Diese Vorgehensweise ist durchaus üblich, wenn sich mit teuren Gutachten und hohen Prozesskosten keine andere Beurteilung ergeben hätte. Der Einsatzleiter selbst hatte sogar darauf gedrängt, den Unschuldsbeweis in einem aufwändigen Verfahren zu erbringen. Deshalb war er mit der Einstellung nicht zufrieden gewesen.

Nachdenken lohnt sich!
Nach diesen beiden gerichtlichen Entscheidungen bleiben also einige Fragen offen, die es sich lohnt näher zu betrachten:

Wer entscheidet, ob eine Brandwache aufzustellen ist?

Wer beurteilt die Notwendigkeit deren Aufstellung?

Wer haftet gegebenenfalls zivil- und/oder strafrechtlich für Folgen bei Wiederaufflammungen?

Ein Problem ist, dass Durchführung und Umfang von Brandwachen weder taktisch noch rechtlich durch einschlägige gesetzliche Vorschriften, Richtlinien oder Normen klar geregelt sind und sich somit ein großer Spielraum für Ermessensentscheidungen des jeweiligen Einsatzleiters bietet.

Grundsätzlich gilt, nach den Nachlöscharbeiten ist bei einer unklaren Lage an der Brandstelle die Erstellung einer Brandwache durch den Einsatzleiter anzuordnen, z. B. wenn die Gefahr besteht, dass noch eventuell vorhandene Brandnester wieder aufflammen können, oder wenn entschieden wurde, Materialien oder Objekte kontrolliert abbrennen zu lassen.

Die Erstellung einer Brandwache ist somit Bestandteil des Einsatzes.

Damit ist der Einsatz einer Brandwache genauso wichtig wie der eigentliche Löscheinsatz selber. Brandwachen müssen also auch entsprechend von allen Einsatzkräften ernst genommen werden.

Über die Beendigung der Brandwache und die Übergabe des Objekts an die Polizei oder Eigentümer entscheidet der Einsatzleiter oder eine andere von ihm autorisierte Führungskraft.

Eine Brandwache muss aus einer ausreichenden Anzahl von Einsatzkräften und einem geeignetem Feuerwehrfahrzeug bestehen. Die Stärke der Brandwache und die Art des Fahrzeuges richten sich
+ nach dem Umfang des Brandes
+ nach der Größe des betroffenen Brandbjekts.
Weiterhin ist es gängige Praxis, dass in entsprechenden zeitlichen Abständen Nachkontrollen ebenfalls mit einer ausreichenden Anzahl von Einsatzkräften und einem geeignetem Feuerwehrfahrzeug durchgeführt werden.

In jedem Fall ist eine abschließende Lageerkundung und -beurteilung nach dem Ende der Löscharbeiten als Grundlage für weitere Entscheidungen durchzuführen. Dabei ist insbesondere den baulichen Gegebenheiten und der vorgefundenen Gebäudesubstanz, der Witterung (z. B. aufkommende Winde) sowie dem vorangegangenen Brandereignis und den vorgenommenen Löscharbeiten bzw. eingesetzten Löschmitteln Rechnung zu tragen. Heute sollte auch der Einsatz einer Wärmebildkamera – sofern vorhanden – dazu gehören, um versteckten Glutnester z. B. hinter Leichtbauwänden zu erkennen.
Allerdings kann durch den Einsatz einer Wärmebildkamera die umfassende Lageerkundung, um gezielt nach Glutnestern zu suchen, nicht ersetzt werden. Dafür müssen u. U. sogar Hohlwände, Zwischenböden bzw. Verkleidungen stückweise geöffnet und entfernen oder eingerissen werden. D. h. für die Feuerwehr, dass ggf. entdecktes Brandgut aufwendig nach und nach ablöscht werden muss.

Problematisch gestaltet sich heute oft die Auswahl der bei einer Brandwache einzusetzenden Kräfte. Es sollte darauf geachtet werden, dass nach dem Ende der Löscharbeiten für die Brandwache möglichst ausgeruhte Einsatzkräfte eingesetzt werden, die entsprechend nachalarmiert werden müssen.

Diese nachalarmierten Kräfte kennen jedoch die Einsatzstelle noch nicht und müssen aus diesem Grund zwingend notwendig vom Einsatzleiter  eingewiesen werden. Dabei sollten alle das Brandobjekt besichtigen und über Gefahrenstellen oder mögliche Bereiche mit Glutnestern informiert werden.

Die für die Brandwache eingesetzten Kräfte müssen ebenfalls entsprechend ausgebildet sein. Leider werden aus den schon angesprochenen personellen Problemen oft auch junge Feuerwehrleute ohne die notwendige Einsatzerfahrung eingesetzt.

Ein weiteres Problem ist der zeitliche Umfang einer Brandwache. In der gängigen Fachliteratur wird davon ausgegangen, dass durch eine Brandwache über eine „bestimmte Zeit“ das Brandobjekt auf wiederauflammende Glutnester überwacht wird. Der genaue zeitliche Umfang einer Brandwache ist nicht verbindlich z. B. in tabellarischen Darstellungen oder Zeitdiagrammen geregelt.

Beispiele aus der Praxis zeigen, dass an manchen Brandstellen auch nach drei Tagen und umfangreichen Nachlöscharbeiten letzte Glutnester immer noch nicht erloschen waren. Im Einzelfall kann dies bedeuten, dass die Brandwache solange aufrecht zu erhalten ist, bis nach allgemeiner Erfahrung die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Brandes von diesem Brandobjekt nicht mehr ausgehen kann.

Bei der Frage nach dem zeitlichen Umfang ist wie bei anderen Maßnahmen der Feuerwehr im Rahmen der Brandbekämpfung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei sollte jedoch ebenso beachtet werden, dass insbesondere bei Bränden von festen Stoffen, die zur erneuten Zündung nach dem Löschen neigen, und den damit zu bekämpfenden Brandgefahren im Zweifel grundsätzlich eher mehr als weniger Personal und Hilfsmitteln einzusetzen sind. Beides liegt im Ermessen des Einsatzleiters.

Wie das OLG Hamm zutreffend festgestellt hat, gehört es zwar zu den der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung obliegenden Pflichten, den Brandherd zweifelsfrei zu löschen und „gegebenenfalls“ Brandwachen aufzustellen. Wichtig dabei ist, dass das Risiko eines Wiederaufflammens des Brandes minimiert oder gar ganz ausgeschlossen werden kann.

Neben der richtigen Taktik, der Wahl geeigneter Löschmittel sowie dem Einsatz von Wärmebildkameras gehören eine konsequente Nachkontrolle des Brandobjektes auf noch vorhandene Wärmequellen und ggf. das Aufstellen von Brandwachen zum Abschluss eines erfolgreichen Brandeinsatzes.

Doch auch schon 2006 hatte das OLG Oldenburg geurteilt, dass eine Einsatzleiter der Feuerwehr nur bei grober Fahrlässigkeit haftet, wenn es nach dem Einsatz der Feuerwehr erneut zu einem Brand kommt (Az.: 6 U 231/04). Die Richter betonten, dass gerade bei der Freiwilligen Feuerwehr die Anforderungen an die Amtsausübung nicht überspannt werden dürfen. Allerdings entbindet die Sorge darum, dass sonst kaum noch Bürger die Verantwortung zur ehrenamtlichen Brandbekämpfung übernehmen würden, nicht von einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung und verantwortungsvollem Handeln des Einsatzleiters.

Außerdem ist eine große Einsatzerfahrung erforderlich. Es ist also Vorsicht geboten. Das Urteil des OLG Hamm ist kein Freibrief – weder für die Kommunen und ihre Feuerwehren noch für den jeweiligen Einsatzleiter.

Daher gilt auch weiterhin: „Brand aus!“ heißt nicht „Ende des Einsatzes“!

Frank D. Stolt
Brandsachverständiger und „Technischer Fachberater Feuerwehr“
Mannheim

 § 839 BGB Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag

 Zusammenfassung
+ Über das Aufstellen einer Brandwache entscheidet der Einsatzleiter.
+ Die Brandwache ist Bestandteil des Einsatzes und muss entsprechend ernst genommen werden.
+ Über die Beendigung der Brandwache und die Übergabe des Objekts an die Polizei oder den Eigentümer entscheidet der Einsatzleiter oder eine von ihm autorisierte Führungskraft.

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