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Frauen leben nicht länger, Männer sterben nur früher

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Frauen haben eine höhere Lebenserwartung als Männer. Das liegt vor allem an ihrem gesünderen Lebensstil. Doch sie sind auch von Natur aus im Vorteil.

Wer als das starke Geschlecht gelten darf, darüber gehen die Meinungen regelmäßig auseinander. Ginge es nur nach der Lebenserwartung, so gebührt der Titel eindeutig den Frauen. Denn sie leben hierzulande gut vier Jahre länger als Männer. So haben Mädchen, die 2009 geboren wurden, eine statistische Lebenserwartung von 90,7 Jahren, Jungen hingegen „nur“ von 86,4 Jahren.

Nicht nur in Deutschland ist die Situation so, in fast allen Industriestaaten überleben die Frauen ihre männlichen Altersgenossen. Und es ist auch kein neues Phänomen: Seit Einführung der amtlichen Bevölkerungsstatistiken Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich Unterschiede in der Lebenserwartung feststellen, wobei der Abstand regelmäßig schwankte. Wissenschaftler machen für den Altersunterschied grob zwei Faktoren verantwortlich: zum einen biologische, zum anderen verhaltens- und umweltbedingte.

Männer leben ungesünder und risikoreicher

So haben Männer einen ungesünderen und gefährlicheren Lebensstil als Frauen: Schon pubertierende Jungen greifen häufiger zu Alkohol und Drogen als Mädchen, gehen im Straßenverkehr größere Risiken ein und sind daher häufiger in tödliche Verkehrsunfälle verwickelt. Die Unterschiede im Verhalten setzen sich bis ins Erwachsenenalter fort. Männer trinken mehr Alkohol, rauchen mehr und ernähren sich ungesünder. Sie sind zugleich Vorsorgemuffel und gehen seltener zum Arzt als Frauen.

Auch beruflich ticken die Geschlechter anders: Männer definieren ihre Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz viel stärker an den erbrachten Leistungen, weiche Faktoren spielen für sie – im Gegensatz zu den Frauen – eine geringere Rolle. Die Folge: Männer reiben sich öfter auf und sind anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und trotz der Fortschritte bei der Gleichstellung gilt: Es arbeiten mehr Männer als Frauen, und das viel öfter in Vollzeit. Sie sind daher stärker beruflichen Stressfaktoren ausgesetzt.

Frauen haben biologische Vorteile

Frauen sind jedoch nachweisbar auch von Natur aus im Vorteil. Forscher vermuten, dass das X-Chromosom eine wichtige Rolle spielt, von dem Männer nur eines, Frauen aber zwei besitzen. Sie können Defekte auf dem einen durch das andere X-Chromosom ausgleichen und sind somit besser vor Krankheiten geschützt. Immerhin ist die Sterblichkeit der Mädchen schon im Säuglingsalter niedriger.

Auch die Hormone spielen eine wichtige Rolle. So steht das männliche Sexualhormon Testosteron im Verdacht, das Immunsystem zu schwächen und die Gesundheit zu beeinträchtigen. Forscher aus Korea konnten immerhin nachweisen, dass Eunuchen im 16. bis 18. Jahrhundert deutlich länger lebten als nicht kastrierte Männer. Experten streiten zugleich darüber, ob nicht auch die Verhaltensunterschiede biologische Ursachen haben. Eine Theorie: Der männliche Hang zum Risiko ist nicht – oder nicht nur – dem gesellschaftlichen Leitbild eines harten, schmerzunempfindlichen Mannes oder der Erziehung geschuldet, sondern auch Folge des unterschiedlichen Hormoncocktails.

Gewicht der Einzelfaktoren kaum messbar

Wie stark die einzelnen Faktoren auf die Lebenserwartung wirken, lässt sich empirisch kaum belegen. Dass aber das Verhalten und die Lebensweise eine nicht unwesentliche Rolle spielen, zeigt die sogenannte Klosterstudie von Marc Luy. Er verglich die Lebensdaten von fast 12.000 bayerischen Nonnen und Mönchen, deren Lebensweise sich stark ähnelt: Tagesablauf, Ernährung, Wohnsituation, Familienstand. Das Ergebnis: Die Mönche lebten nicht nur deutlich länger als ihre Geschlechtsgenossen außerhalb des Klosters. Ihre Lebenserwartung reichte auch fast an die der Nonnen heran. Lediglich ein bis zwei Jahre trennten beide Gruppen.

Doch auch diese Ergebnisse sind umstritten: Nonnen kümmerten sich im Unterschied zu Mönchen häufiger um Kranke und waren damit besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt. Eine ältere amerikanische Klosterstudie kam jedenfalls zum gegenteiligen Ergebnis: Nonnen und Mönche, die nur im Schuldienst tätig waren, hatten den gleichen Unterschied in der Lebenserwartung wie Männer und Frauen in der übrigen Bevölkerung.

Männer holen bei der Lebenserwartung auf

Der Einfluss des Verhaltens und der Umwelt könnte auch erklären, warum Männer bei der Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten aufgeholt haben. Lag die Lebenserwartung des Geburtsjahrgangs 1960 noch mehr als sechs Jahre auseinander, beträgt der Abstand bei den heute geborenen Jungen und Mädchen nur gut vier Jahre. Denn die Geschlechterrollen gleichen sich teilweise an, das gilt nicht nur für das Erwerbsleben, sondern auch den privaten Bereich. So greifen inzwischen fast ebenso viele Frauen zum Glimmstängel wie Männer. Das vermeintlich starke Geschlecht – es hat auch so seine Schwächen.

Quelle: Karsten Röbisch/GDV

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