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Feuersbrunst in Leipzig

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Vor 170 Jahren stand in Leipzig das Hotel de Pologne in Flammen. Dieses Ereignis wurde im Stil der damaligen Zeit in zwei Ausgaben der „Illustrirte Zeitung“ beschrieben.
Auslösender Moment zur Gründung einer Freiwilli­gen Feuerwehr – damals gelegentlich auch Turnerfeuerwehr – war nicht selten ein Brand­unglück, das Unzulänglichkeiten im Feuerlöschwesen deutlich werden ließ.

Historische Bildpostkarte, die den Brand des Hotels de Pologne am 29. August 1846 in Leipzig zeigt. (Sammlung Profeld)

So auch in Leipzig. Aufgrund des Brandes am 29.  August 1846 im Hotel de Pologne, der nach den ersten Erkenntnissen acht Menschenleben forderte und mehrere Verletzte zur Folge hatte, entstand zunächst eine Turnerfeuerwehr (gegründet 1846). Sie ergänzte die bisherigen Löschkräfte, bestehend aus Handwerkern und Hilfsmannschaften.
1849 kam eine Art „ständige Feuerwache“ (bestehend aus Handwerkern) hinzu, die insbesondere auch nachts alarmbereit sein musste und die Aufgabe hatte, bei Alarm unverzüglich die ersten Löschmaßnahmen zu ergreifen und die Pumpmannschaften und Wasserträger sowie die be­stehende „Freiwillige Lösch- und Rettungskompa­gnie“ zu koordinieren.
1864 erfolgte eine Reorganisation des Feuerlöschwesens und am 1. März 1865 wurde die Berufsfeuerwehr Leipzig gegründet.

Ergänzend standen für Nachtwachen zunächst noch die „Freiwillige Turnerfeuerwehr“ (aufgelöst 1871) und die „Freiwillige Lösch- und Rettungskompagnie“ (aufgelöst 1886) zur Verfügung.
Dies zeigt, zu jener Zeit, als das Großfeuer wütete, war das Feuerlöschwesen noch ziemlich unzureichend organisiert; Feuerordnungen und Hilfskräfte alleine reichten eben doch nicht aus.

Dramatische Berichterstattung

In bewegten Worten schilderte 1846 die „Illustrirte Zeitung“ in zwei Ausgaben die damalige Brand­katastrophe. Die Nummer 166 vom 5. September 1846 schrieb dazu:

Die Feuersbrunst in Leipzig.

In der Abenddämmerung des 29.  August 1846 kam in einem der verwinkeltsten Teile von Leipzig eine Feuersbrunst zum Ausbruch, die in dem Augen­blick, wo wir dies schreiben – am 1.  September – noch nicht gelöscht, wohl aber bereits für die Umgebung gefahrlos gemacht worden ist, nachdem sie drei Nächte und zwei Tage wütete und acht Menschen das Leben, eben so viele oder mehr die Gesundheit verloren haben.

Es war gegen 6  ½ Uhr genannten Tages, als sich die Nachricht verbreitet, dass in einem Lager im Hof des Hotels de Pologne, welches mit Farbwaren, Terpentin, Schwefelsäure und ähnlichen brennbaren Stoffen gefüllt war, Feuer ausgebrochen sei.

Die Brandursache ist amtlich noch nicht festgestellt; das Gerücht nennt als solche unvorsichtigen Gebrauch des Lichtes bei der Untersuchung eines Terpentinfasses, welches sogleich Feuer fing und die übrigen leicht entzündlichen Stoffe in Brand setzte.

Es wurde zuerst versucht, die nur inwendig brennende Niederlage dem Zutritt der Luft zu verschließen, diese Maßregel erwies sich aber auf die Dauer als wenig Erfolg ver­sprechend und man glaubte, dieselbe auf­brechen zu müssen, um mit Wasser löschen zu können.

Da schlug die helle Flamme aus dem unteren Raum, ergriff das erste, das zweite Stockwerk, in welchem letzteren sich die bekannten Säle befinden, in denen zur Zeit der Messe Tausende nach des Tages Mühen ihre gedeckten Tafeln fanden, ergriff die oberen Gemächer und schlug flammend über das Dach.

Man hoffte, noch die Vorderhäuser zu retten, aber auf beiden Seitenflügeln wälzte sich bereits die Glut zur Straße, und nur von dem neu gebauten Nebengebäude, der so genannten zweiten Tuchhalle, konnte man noch versuchen, den Brand zu stoppen.

Inzwischen verbreiteten sich die Flammen auch nach den Hintergebäuden des ‚Sterns‘ und des ehemaligen ‚Adlers‘ und setzten sich in einem Schlupfwinkel fest, der von vier Häuserreihen, der Hainstraße, des ,Brühls‘ der Katharinenstraße und des Marktes eingeschlossen, mit jedem Augenblick schwerer zugänglich wurde.

Endlich, nachdem auch die neue Tuchhalle und der ‚Stern‘ neben dem Hotel de Pologne der Einäscherung verfallen waren, nahm die Macht des Feuers allmählich ab und vor Tagesanbruch war dieselbe soweit gebrochen, dass nur noch Lagerbestände mit Schwefel, amerikanischem Pech, Colofonium, Öl, Spiritus und ähnlichen Stoffen fortbrannten und die angestrengteste Tätigkeit in Anspruch nahmen, um einem Wiederausbruch zu verhindern.

Die Größe des Unglücks lässt sich noch nicht übersehen […]“

Zweiter Bericht

Ausführlicher ging die „Illustrirte Zeitung“ in der Nummer 167 vom 12. September 1846 dann nochmals auf dieses Brandunglück ein (Auszug):

„[…]  Wer das Häuserviereck, welches von der Hainstraße, dem Markt, der Katharinenstraße und dem Brühl gebildet wird, nur von außen kennt, wird keine Erklärung dafür haben, wie die hohen massiven Häuser, worunter neue und ältere von dem stattlichsten Äußeren, in so große Feuersgefahr kommen konnten, dass Leipzig sich mit dem Schicksal Hamburgs bedroht sah, wenn ein verderblicher Windstoß die sprühenden Flammen zu noch wilderer Glut angefacht hätte, was der Himmel aber gnädigst verhütete.

Das Innere jenes Vierecks entspricht nicht dem massenhaften Äußeren: dort kreuzen sich in den Höfen und Hintergebäuden, die zu Stallungen, Speichern und Lagern dienen, alte Galerien mit wurmstichigen Seitenflügeln, dort drängt sich Dach an Dach, Boden an Boden, und nur der besonders glückliche Umstand, dass im Laufe des letzten Jahres an den baufälligen Hinterhäusern des Joachimsthals eine mächtige Brandmauer aufgeführt und auf der Seite des Brühls, an der Stelle der alten Glocke, ein großartiges Gebäude mit massiven Hintergebäuden entstanden war, rettete die Stadt vor noch größerem Unglück. Denn so konnten die Löschanstalten in angestrengterer Weise dem goldnen Hahn, dem Hotel de Pologne gegenüber, zugewendet werden, dessen Bewahrung vor den Flammen die Möglichkeit verschaffte, die Löschung der brennenden Vordergebäude des ehemaligen Birnbaums, des Adlers und des Sterns fortzusetzen; im entgegengesetzten Falle wären die Rettungsmannschaften gezwungen gewesen, sich aus der Hainstraße, die dann auf beiden Seiten in Flammen gestanden wäre, zurückzuziehen, womit man die Feuersbrunst sich dann selbst überlassen hätte.

Als aber das Hotel de Pologne einmal in vollen Flammen stand und alles Bewegliche mit dem aufopferndsten Mut, der sich nicht scheute, noch unter den einsturzdrohenden Decken zu räumen, gerettet worden war, – ein Wagstück, das allerdings viele Menschenleben gekostet hat, wie sich erst bei Wegräumen der Trümmer in seiner vollen Schrecklichkeit zeigen wird – konnte nur noch daran gedacht werden, die Nachbarhäuser und namentlich die andere Seite der Straße, nach welcher die Luft  hintrieb und über die sich die Feuerwolken wie ein Glutmeer wälsten, vor den züngelnden Flammen zu wahren, und dies gelang unter unsäglicher Arbeit und mit fortwährender Lebensgefahr, wie das Beispiel des Führers eines Sturmfasses, der samt seinem Knecht und dem Sattelpferd von einem einstürzenden Giebel erschlagen wurde, und des Studenten Weiß zeigt, der an einer Löschmaschine das Leben verlor.

Mit erstaunenswertem Mut und außerordentlicher Gewandtheit gelang es hingegen dem Theatertischler Carl Albrecht mit Hilfe des Schornsteinfegergesellen Wilhelm Frühsorge aus Düben zwei betäubte oder halberstickte Personen auf einer von der Straße angelegten Feuerleiter aus dem vierten Stockwerk des alten Hotelgebäudes herab zubringen, dessen gebohnte Treppe eben von der Glut zerstört wurde.

Wenn jemand an jenem Schreckensabend eine Auszeichnung verdient hat, so muss dieselbe diesen wackeren Männern zuerkannt werden, denen die Stadt gewiss nicht zu viel gewährte, wenn sie ihnen freies Bürger- und Meisterrecht bewilligte. […]

Die Brandstätte bietet einen grauenhaften Anblick, um so grauenhafter, als man weiß, dass Trümmer noch mehrere Menschen bedecken, die, von eingestürzten Decken begraben, in den Augenblicken der größten Gefahr ihre Aufopferung mit dem Leben bezahlten; noch aber ist man außerstande, sie aus der Tiefe herauszuholen, und nur die übrigen acht Opfer des Brandes hat man am gestrigen Morgen bestatten können.

Die Aufforderung zur feierlichen Begleitung hatten außer einzelnen Körperschaften die Universität und der Stadtrat erlassen. Der Trauerzug bewegte sich vom Jakobshospital durch die innere Stadt zum Johanniskirchhof, der wegen des außerordentlichen Zustroms von Menschen geschlossen war und sich nur dem Zug der Teilnehmer öffnete.

Den mit Blumen geschmückten Särgen, die sämtlich getragen wurden, folgten in unabsehbarem Zug, von Trauermusik geleitet, die Studierenden mit ihren Fahnen, einige Innungen, die Verwandten und Angehörigen der Verunglückten, eine große Anzahl Bürger und Einwohner aller Klassen, die Stadtverordneten, die städtischen und königlichen Behörden, der Bürgermeister, von dem Kreisdirektor und dem Stadtkommandanten in die Mitte genommen, die Geistlichkeit, die Turner, die Rettungskompagnie in ihrer eigentümlichen Tracht, die Mannschaften mehrerer Spritzen, und die zur Hilfe herbeigerufene Schützenkompagnien in ihren grauen Arbeitsröcken; den Schluss bildeten die Nachtwächter als lebendige Mahnung: Bewahret das Feuer und das Licht, damit Niemandem ein Schaden geschieht!

Als der Zug in die nach dem Friedhof führende Straße gelangte, begann das feierliche Geläut auf dem Johannisturm.
Sämtliche Leichen wurden in der Rathsgruft beigesetzt, um erst später in die für sie bestimmten Gräber gelegt zu werden.
An der Gruft sprachen zwei Studierende, Plesch und Krug; letztere in gebundener Rede, der Diakonus Dr. Meißner und der Superintendent Dr. Großmann, der auch den Segen erteilte.
In den Zwischenräumen sangen der Thomanerchor und der Sängerverein.
Die ernste Feier ließ den tiefsten Eindruck in allen Gemütern zurück.

Gegenwärtig wird bereits der Schutt beseitigt, und wie man vernimmt, wird durch die Energie des Hotelbesitzers Pusch, der dem Trauerzug folgte, in Kürze einen Neubau beginnen, welcher der Stadt zu großer Zierde gereichen soll. […]

Wir schließen unseren Bericht mit innigem Dank gegen Gott, der auch in diesem Notfall den Menschen seine Hilfe nicht versagte, gegen die Behörden, die, nachdem die erste Bestürzung vorüber war, mit Einsicht und Kraft die Rettungsanstalten leiteten, und endlich gegen die Helfer aus der Nähe und Ferne, die in der Stunde der Gefahr ihr Leben nicht achteten, um die diese abzuwenden.

Möge diese Mahnung nicht ungenutzt vorüber gehen, wie so viele frühere, und möge sie aufs Neue die Notwendigkeit besserer Rettungseinrichtungen an das Herz der Behörden legen, die über so große Mittel zu gebieten haben und zu der Einsicht gelangt sein müssen, dass unsere bisherigen Lösch- und Rettungswerkzeuge nicht ausreichen.“
Historische Unterlagen und Dokumentation: H.-J. Profeld, München 

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