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Pkw fährt ins Hafenbecken: Zwei Tote in Husum

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Dieser tragische Einsatz am Hafen von Husum blieb den Einsatzkräften in Erinnerung: Nachdem ein Pkw mitsamt Insassen ins Hafenbecken gestürzt war, drängte die Zeit für die Personenrettung und für die Bergung des Fahrzeugs. Zudem war ein größerer Umweltschutzeinsatz erforderlich.


Erschienen in: FEUERWEHR Ausgabe 1-2/2023

Bergung des Pkw der im Hafenbecken von Husum verunfallt ist.
Die Bergung des Pkw erfolgt mithilfe eines Krans. Foto: Benjamin Nolte

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Rund 300-mal im Jahr rückt die Freiwillige Feuerwehr Husum (LK Nordfriesland, SH) ins Husumer Stadtgebiet und das Umland aus. Am 30. Mai 2022 ging es in den Hafen, wo die Einsatzkräfte ein Lagebild erwartete, mit dem sie in der Form bislang noch nicht konfrontiert worden waren. Es sollte ein dramatischer Einsatz mit tragischem Ende werden.

„Alarmiert wurden wir um 13.49 Uhr“, erinnert sich Alexander Mumm, Stellv. Wehrführer und an diesem Tag Einsatzleiter. Mumm war nicht einmal eine Minute nach dem Alarm unterwegs an den Einsatzort. Aufgrund des hohen Einsatzaufkommens für die Freiwillige Feuerwehr Husum verfügt der diensthabende Einsatzleiter über einen Kommandowagen (KdoW), den er mit nach Hause nimmt. So kann er ohne Umweg über das Gerätehaus zum Einsatzort fahren. Während Mumm sich auf der Anfahrt befand, erreichten die ersten Kameradinnen und Kameraden das Gerätehaus der Feuerwehr im Marienhofweg. Nach wenigen Minuten war das Hilfeleistungs-Löschgruppenfahrzeug (HLF) der Husumer Wehr besetzt und rückte um 13.54 Uhr in Richtung der Straße Rödemishallig aus. Unterdessen erreichte der Einsatzleiter Mumm den Unfallort. Rettungsdienst und Polizei trafen nahezu gleichzeitig ein.

Dramatische Lage

Dieser Beitrag erschien in FEUERWEHR 1-2/2023.
Hier finden Sie einen Auszug der Ausgabe mit dem Einsatzbericht als PDF:

Zum Artikel

„Noch auf der Anfahrt erreichten uns weitere Informationen“, berichtet Mumm. „Die Leitstelle teilte uns mit, dass ein mit zwei Personen besetzter Pkw ins Hafenbecken gefahren sei und bereits untergehe. Zunächst habe wohl noch kurz Kontakt zu den Insassen bestanden, der dann aber abgerissen sei.“ Obwohl die ersten Einsatzkräfte den Hafenbereich nach nur wenigen Minuten erreichten, war von dem Fahrzeug bei ihrem Eintreffen schon nichts mehr zu sehen. „Augenzeugen und Mitarbeiter eines dort ansässigen Fischhändlers schilderten uns den Hergang“, sagt Mumm. „Anfangs habe durch die teilweise geöffneten Fenster noch Kontakt zu den Insassen bestanden, dann sei alles ganz schnell gegangen und der Wagen auf den Grund des Hafens gesunken.“ Als Mumm selbst vor Ort eintraf, konnte er außer einigen Luftblasen und privaten Gegenständen an der Stelle, an der der Pkw vermutet wurde, nichts mehr erkennen.

Alarmierung zahlreicher Kräfte

Initial mit alarmiert wurde bei dem Einsatz in Husum aufgrund des Einsatzstichworts neben Rettungsdienst und Notarzt auch die DLRG Husum mit Boot sowie Rettungstaucherinnen und -tauchern. „Aufgrund des Lagebilds vor Ort habe ich mich umgehend entschieden, weitere Einsatztaucher anzufordern“, sagt Mumm. Der Einsatzleiter ließ demnach Taucher/-innen der Berufsfeuerwehr Flensburg und der Feuerwehr Itzehoe alarmieren. Um die aus dem 50 km entfernten Flensburg anfahrenden Taucher/-innen möglichst ohne großen Zeitverlust vor Ort zu haben und einen zweiten Notarzt an die Einsatzstelle zu verbringen, wurde der Rettungshubschrauber Christoph 42 aus Rendsburg angefordert. Die Maschine sollte zunächst nach Flensburg fliegen, dort drei Taucher aufnehmen und den Weg an den Einsatzort nach Husum antreten. Die Einsatztaucher der Feuerwehr Itzehoe machten sich bodengebunden auf den Weg.

„Für uns war anfangs nicht ganz klar, wo sich das Fahrzeug genau befand und wie schnell wie viele Taucher der DLRG vor Ort sein können“, erläutert Mumm seine Entscheidung, die weiteren Tauchergruppen anzufordern.

Menschenrettung: Hier macht sich der Rettungstaucher der DLRG einsatzfertig.
Menschenrettung: Hier macht sich der Rettungstaucher der DLRG
einsatzfertig.

Nach und nach trafen weitere Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr Husum am Einsatzort ein. Neben dem KdoW und dem HLF, die bereits vor Ort waren, rückten kurz darauf auch die Drehleiter, das Löschfahrzeug (LF 20), das HLF 2, der Gerätewagen Logistik (GW-L), das Mannschaftstransportfahrzeug (MTF 2) und das Vorauslöschfahrzeug (VLF) an. Zwei Rettungswagen, ein Notarzt, der organisatorische Leiter Rettungsdienst, mehrere Streifenwagen der Landespolizei und Einsatzkräfte der Wasserschutzpolizei waren ebenfalls in den Einsatz eingebunden.

Rettungseinsatz der Tauchgruppen

Zum Unfallzeitpunkt herrschte im Bereich des Husumer Hafens Flut. Der Wasserstand im Hafen hatte seinen höchsten Punkt erreicht und der Pegel betrug zwischen 4 und 5 m. „Wir haben uns sehr schnell dagegen entschieden, noch vor dem Eintreffen der Tauchgruppen Einsatzkräfte ohne Tauchgerät ins Wasser zu schicken“, berichtet Mumm, „das Hafenbecken war randvoll, der Pkw lag bereits auf dem Grund und im Husumer Hafenbecken ist die Sicht gleich null.“

Wenige Minuten nach dem Eintreffen der ersten Fahrzeuge der Feuerwehr erreichten auch Einsatzkräfte der DLRG den Husumer Hafen. „Da die Anfahrt bereits im Taucheranzug erfolgt, konnte nach unserem Eintreffen direkt das vom Signalmann vorbereitete Tauchgerät aufgenommen werden“, berichtet Einsatztaucher Björn Tetens, „sodass ich ohne Zeitverlust ins Hafenbecken eintauchen konnte.“ Auch erste Boote befanden sich mittlerweile an der Einsatzstelle, darunter das kleine Schlauchboot der DLRG, welches unmittelbar nach dem Eintreffen zu Wasser gelassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die genaue Position des Pkw weiterhin unklar. Als Suchmethode wurde das sog. Scheibenwischer-Verfahren angewandt.

Eingesetzte Kräfte
  • FF Husum: KdoW, HLF, DLK, LF 20, HLF 2, GW-L, MTF 2, VLF
  • DLRG Husum
  • BF Flensburg: Rettungstauchgruppe
  • FF Itzehoe: Rettungstauchgruppe
  • Rettungsdienst Nordfriesland inkl. OrgL
  • Polizei Husum
  • Bergungsunternehmen: Kranwagen

„Die Sicht lag bei null, es herrschte absolute Dunkelheit“, erinnert sich Tetens. „Nach nur einer Wende konnte ich das Fahrzeug im Heckbereich der Beifahrerseite ertasten. Es war auf der Beifahrerseite bis über die Reifenoberkante im Schlick eingesunken und hatte dadurch lediglich eine leichte Schräglage. Die Türen waren verriegelt und im Bereich über den Türgriffen waren die Scheiben zu ertasten“, berichtet er weiter. „Um auf dieser Seite keine Zeit zu verlieren, wechselte ich über das Dach auf die Fahrerseite, konnte die Fahrertür durch das halb geöffnete Fenster von innen öffnen und habe eine Markierungsleine am Türgriff befestigt. Auf dem Fahrersitz konnte ich dann die erste Person ausmachen. Da diese nicht angeschnallt war, konnte ich sie schnell aus dem Fahrzeug holen und an die Oberfläche bringen, wo sie die Bootsbesatzung um 14.21 Uhr übernommen und an Land gebracht hat.“ Tetens tauchte anschließend erneut an der Markierungsleine ab. „Das Befreien der zweiten Person auf dem Beifahrersitz war aufgrund der fehlenden Sicht und Enge im Fahrzeug etwas schwieriger“, beschreibt der Taucher. Die Beifahrerin konnte um 14.26 Uhr an den Rettungsdienst übergeben werden. Bei einem dritten Tauchgang suchte Tetens die Rücksitzbank des Pkw ab und konnte dabei keine weiteren Personen ertasten.
An Land begann der Rettungsdienst umgehend mit den Reanimationen der Geborgenen, die nach jeweils rund 20 min erfolglos abgebrochen werden mussten. Für Fahrer und Beifahrerin kam jede Hilfe zu spät.

„Die Einsatzkräfte aus Flensburg und Itzehoe konnten ihre Anfahrt bzw. ihren Anflug zwischenzeitlich abbrechen“, wie Einsatzleiter Mumm berichtet: „Da wir den Pkw mittlerweile geortet hatten und auch die beiden Personen aus dem Wagen an die Oberfläche bringen konnten, wurden keine weiteren Taucher benötigt.“

Umweltschutzeinsatz

Parallel zu den Rettungsarbeiten ergriffen die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Husum erste Maßnahmen, um mögliche Umweltschäden einzudämmen. „Wir haben früh damit begonnen, eine Ölschadenbekämpfung vorzubereiten und dann auch aufzubauen“, sagt Mumm. „Unser Logistikfahrzeug, auf dem entsprechende Rollcontainer verlastet sind, wurde der Einsatzstelle zugeführt.“ Um die Stelle herum, an der sich der Pkw befand, legten die Einsatzkräfte Ölschlängel aus. Unterstützung erhielt die Feuerwehr dabei von einem Boot des LKN (Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz).

„Nach Eintreffen des Bergungsunternehmens und dem Auslegen der Ölsperren wurde ein erneuter Tauchgang angetreten, um die Bergung des Fahrzeugs aus dem Wasser vorzubereiten“, berichtet Björn Tetens von der DLRG Husum. „Da die Beifahrerseite nicht zugänglich war, wurden im ersten Schritt Rundschlingen an Vorder- und Hinterrad auf der Fahrerseite befestigt. Im zweiten Schritt wurde der Kranhaken mit den Bandschlingen verbunden.“ Die anschließende Bergung des Pkw erfolgte mithilfe eines 40-t-Krans. Erst jetzt erlangten die Einsatzkräfte Klarheit über den Fahrzeugtyp: Es handelte sich um eine Mercedes-C-Klasse mit Automatikgetriebe.

Geschafft: Der Mercedes-Benz-Pkw ist aus dem Becken gehoben. Foto: Benjamin Nolte
Geschafft: Der Mercedes-Benz-Pkw ist aus dem Becken gehoben. Foto: Benjamin Nolte

Paralleleinsätze

Die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Husum mussten während des laufenden Einsatzes am Hafen zwei weitere Alarme abarbeiten. Zunächst wurde die Feuerwehr zu zwei brennenden Mülltonnen in der Innenstadt alarmiert. Nach der Bergung der beiden Fahrzeuginsassen am Hafen ging ein Einsatz für den kompletten Löschzug ein. „Wir wurden zu einem ausgelösten Rauchwarnmelder in einer Privatwohnung alarmiert“, berichtet Mumm, „der Einsatz konnte aber wenig später ohne Feststellung abgebrochen werden.“

Einsatznachbereitung

Zwei Menschen, eingeschlossen in rund 4 m Tiefe im Husumer Hafenbecken – für die Einsatzkräfte von Feuerwehr und DLRG ein durchaus belastender Einsatz. Sowohl seitens der Feuerwehr als auch der DLRG stand ihnen im Anschluss eine PSNV-Betreuung zur Verfügung. „Wir protokollieren alles und bieten unseren Einsatzkräften im Anschluss Gespräche an“, so Mumm. „Bei mir gibt es nach belastenden Einsätzen immer eine Besprechung, bei der wir über die Lage reden, die wir vorgefunden haben. Erörtert wird auch, warum ich mich für welche Maßnahmen entschieden habe. Wir sprechen darüber, wie der Einsatz abgelaufen ist.“ Gerade für die jüngeren, unerfahrenen Einsatzkräfte sind Gespräche dieser Art immens wichtig.
„Man stellt sich nach einem derartigen Einsatz natürlich auch die Frage, ob man nicht doch hätte anders agieren können, ob wir noch Einsatzkräfte ohne Tauchgerät hinterhergeschickt hätten“, beschreibt Mumm das typische Gedankenkarussell. Für diesen Einsatz weiß er, dass zu viele Faktoren im Spiel waren, die dagegen sprachen: eine unklare Position des Fahrzeugs, keine Sicht, rund 4 m Wassertiefe und unkalkulierbare Strömungen. „Viel zu gefährlich“, fasst es Mumm zusammen. „Gleiches galt für die Ersthelfer, die sich ebenfalls dagegen entschieden hatten, dem Fahrzeug hinterherzuspringen. Dafür ging alles viel zu schnell. Sie haben wohl noch versucht, eine Eisenstange rüber zu halten, aber der Wagen ist sofort nach vorne hin weggetrieben und sehr schnell untergegangen.“

Benjamin Nolte

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